Kuno Windisch

Coach für Einzelpersonen, Paare, Gruppen, Familien, Teams und Organisationen . Experte für Personal- und Organisationsentwicklung und Führungsthemen . Heilpraktiker Psychotherapie . Theaterregisseur

2024 – Jahr des Zusammenhalts (?) – Ein Appell !

Um sich auseinandersetzen zu können, muss man sich erst einmal zusammensetzen.

Liebe Leserinnen und Leser,

nachdem das neue Jahr nun Fahrt aufgenommen hat, möchte auch ich Ihnen gerne mit ein wenig Verspätung ein gesundes und erfolgreiches 2024 wünschen!

Ich persönlich wünsche mir ein Jahr des gesellschaftlichen Zusammenhalts – auch wenn der Jahresbeginn mich zugegebenermaßen bereits zweifeln lässt.

Für mein Empfinden hat das vergangene Jahr in vielerlei Hinsicht nie dagewesenen Druck, nie dagewesene Sorgen und Bedrohungen aufgebaut, zumindest im Vergleich zu den eher entspannten Jahren und Jahrzehnten, die ich trotz der einen oder anderen Verwerfung bislang auf dieser Welt leben durfte: Brutale Kriege, verheerende Klimaveränderungen, der Verfall staatlicher Infrastruktur, soziale Polarisierung, der Vertrauensverlust vieler Menschen in die Politik, der spürbare Niedergang des Faktors ‚Respekt‘ als Grundlage des Zusammenlebens, ungesteuerte Immigration, die Nachbeben der Pandemie, die Kapitulation echter zwischenmenschlicher Kommunikation zugunsten sogenannter sozialer Medien, die doch eher Vereinsamung fördern als menschliches Miteinander, der zunehmende Austausch tatsachengestützter Information durch gezielte algorithmusgesteuerte Fehlinformation, die Mechanisierung und, ja, Banalisierung schieren Denkens, der Siegeszug des Egozentrismus. Das alles verunsichert mich schon.

Dazu kam, dass man sich gefühlt auf nichts mehr verlassen konnte. Nicht einmal auf die Haltbarkeit des eigenen Wertegerüsts. Von heute auf morgen konnte überall auf der Welt alles anders sein.

Nun bietet die Demokratie die Möglichkeit der sachlichen Diskussion und des konstruktiven Streits, um sich Herausforderungen zu stellen. Unreflektierte Menschen finden das lästig, vor allem, wenn sie intellektuell nicht mithalten können. Sie halten die Diktatur für das überlegene System, weil sie keine Konsensfähigkeit benötigt. Auf den Tisch hauen und sagen, was Sache ist. Frei nach Schnauze. Ein Diktator tut sich da halt leicht. Nur: Was für einer bitteschön? Und: Auf dem Stimmzettel die Diktatur wählen – ein gewagtes Vabanque-Spiel,mit tendenziell fatalem Ausgang. Ein Bumerang mit hartem Aufschlag.

Allerdings: Je größer die Anzahl der unreflektierten Menschen wird, und je banaler deren Weltsicht, müssen wir uns fragen, wie wir sie zur rechten Zeit argumentativ und, auch wenn es in manchen Fällen vielleicht schwer fällt, mit einem Rest an menschlicher Wertschätzung wieder auf die Seite der Demokratie holen können. Ihren Urnengang können -und wollen- wir schließlich nicht verhindern.

An diesem Punkt komme ich auf mein Motto Jahr des Zusammenhalts zurück, als Strategie dafür, wie es aus meiner bescheidenen und vielleicht naiven Sicht erst einmal weitergehen sollte. Ein mir vorliegendes Change-Modell verortet den Begriff Strategie im Wesentlichen als Variable zwischen den Begriffen ‚Innovation‘ hier und ‚Verbesserung‘ da. Der Unterschied auf der operativen Ebene: Mit ‚Innovation‘ schiebt man Wettbewerb für Wandel an, mit ‚Verbesserung‘ (des Bestehenden) stärkt man den Zusammenhalt.

Ichplädiere für das jetzt beginnende Jahr klar, erst einmal aufdie Strategie der Gemeinsamkeit, des Zusammenhalts zu setzen! Es ist, aus meiner Sicht, zumindest vorübergehend nicht die Zeit weiterer innovativer Experimente und Forderungen, nicht mehr die Zeit des Ringens um das Kleingedruckte, nicht mehr die Zeit der rücksichtslosen Durchsetzung von Partikularinteressen, nicht mehr die Zeit der eitlen Imagepflege, nicht die Zeit der Scheuklappen, nicht die Zeit, lieber andere gegeneinander auszuspielen als selber nach gemeinsamen Schnittmengen mit den Wettbewerbern zu suchen, nicht die Zeit des destruktiven Kompetenzgerangels, nicht die Zeit des aggressiven Hickhacks und der vollmundigen Wahrheitsbehauptungen.

2024 sollte das Jahr des Durchatmens und einer wenigstens vorübergehenden Konsolidierung sein. Ein absolutes Muss, damit diese fragil gewordene Gesellschaft in dieser fragil gewordenen Welt nicht auseinanderbricht.

Ich wünsche mir für 2024, dass die Akteure auf allen gesellschaftlich und politisch relevanten Ebenen, zumindest die vernunftgetriebenen unter ihnen, die Größe beweisen, sich gemeinsam in den Dienst des Zusammenhalts zu stellen. Das bedeutet zuerst einmal Beruhigung, Befriedung, Wertschätzung, Zuhören, Erklären, Einbezug, Empathie – und das Bemühen um für alle Menschen halbwegs tragbare Lösungen.

Um sich auseinanderzusetzen, wird man sich mehr denn je erst einmal zusammensetzen müssen.

In diesem Sinne!

Kuno Windisch