Kuno Windisch

Coach für Einzelpersonen, Paare, Gruppen, Familien, Teams und Organisationen . Experte für Personal- und Organisationsentwicklung und Führungsthemen . Heilpraktiker Psychotherapie . Theaterregisseur

Sokrates, Pippi Langstumpf und ich

vom Wesen des Coachings

Prämisse 1. Ich weiß, dass ich nichts weiß, dieser Satz soll auf den griechischen Philosophen Sokrates zurückgehen. Allerdings gibt es wohl auch die Interpretation, er habe gemeint Ich weiß, WAS ich nicht weiß. Ein kleiner, entscheidender Unterschied.

Prämisse 2: Pippi Langstrumpf ist eine Sachensucherin. Das ist eigentlich ganz an- und aufregend. Ein Appell, vor allem an Erwachsene, die meinen, alles schon zu wissen -zumindest das meiste-, das ihnen die Aufrechterhaltung ihres ökonomischen, intellektuellen und sozial-emotionalen Status Quo garantiert: Geht mit Interesse, Neugier und offenen Augen durch die Welt, ihr glaubt ja gar nicht, wieviel es noch zu entdecken gibt für euch!

Doch das erfrischende Pippi-Prinzip hat auch einen kleinen Haken: Ihre Entdeckungen sind Zufallsfunde. Nichts gegen Zufallsfunde. Jede Menge zivilisatorischen Fortschritts beruht darauf.

Aber genau das Zufallsprinzip unterscheidet Coaching vom Sachensuchen – zumindest sollte es so sein. Sicher, der Coachée*(s.u) selbst darf natürlich gerne ein Sachensucher sein, sonst würde er ja kein Coaching be-suchen. Aber sein Coach, ebenfalls ein Suchender, darf sich nicht auf das Zufallsprinzip verlassen. Er muss wissen, WAS er wirklich sucht – gemeinsam mit dem Coachée.

Coaching bedeutet, präzise ausgedrückt, dem Coachée die Fragen zu stellen, die der sich selber nicht stellt, damit er die Antworten findet, die er ohne den Coach nicht findet, weil er sich die Fragen nicht stellt, die der Coach ihm stellt. Das klingt kompliziert. Aber nur so kompliziert wird aus Coaching ein Schuh.

Und da sind wir wieder bei Sokrates, der zweiten Interpretation seines Satzes: Als Coach sollte ich immer über zwei Wissen verfügen : a. Das, was der Coachée mir erzählt, und b. das, was er mir NICHT erzählt.

Nun könnte der Coach es sich auch einfach machen und nach dem leider allzu gängigen Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß – Prinzip verfahren, sich also auf das ben(k)annte Wissen als Gesprächs- und Handlungsbasis für das Coaching beschränken. Nur: Das zweite Wissen, also das Wissen um das NICHT-Wissen, ist in der Regel das viel interessantere – und für den Erfolg des Coachings viel bedeutendere. Also macht es DIE entscheidende Qualität eines Coaches aus, im Gespräch mit dem Coachée vor allem zu entdecken, was er NICHT weiß, was beide nicht wissen. Nur auf dieser Basis kann er die Fragen stellen, die ein Coaching wirklich zu einem Coaching im Sinne der oben angebotenen Definition machen.

Das Prinzip gilt im Übrigen auch für andere Berufsgruppen wie Journalisten, Ärzte, Anwälte, Psychotherapeuten, Kriminalisten, etc. Entscheiden Sie selbst, wie oft Sie im professionellen Zusammenhang auf Menschen treffen, die das Prinzip verstanden haben und umsetzen. Es ist halt auch mühsam.

Zu wissen, was ich (noch) nicht weiß, ist ehrlich gesagt auch für mich selbst viel interessanter und spannender, als mich mit dem Wissen zu begnügen, das ich bereits weiß.

In diesem Sinne herzliche Grüße!

* Ich habe vergeblich versucht, den Text gendergerecht zu verfassen. Ich kann das eigentlich ganz gut und finde es i.d.R. auch richtig. Aber eine konsequent gendergerechte Umsetzung der häufig vorkommenden Begriffe Coach und Coachée macht den Text letztlich ungenießbar.