Warnungen:
a. Es lohnt sich, wenn Ihr Euch für diesen Text ein wenig Zeit gönnt. Es könnte in Teilen Euer eigener sein.
b. Falls Ihr nach den ersten Zeilen etwaige Befürchtungen hegt: Keine Sorge! Es geht mir (wieder) top! Alles easy
Stroke mit Hemiparese der linken Körperhälfte, iatrogen (aus ärztlichem Wirken resultierend), post-prozessual nach erfolgter Koronarangiographie. So hört es sich in medizinischen Floskeln an, wenn du durch eine Herzkatheteruntersuchung einen Schlaganfall mit vollständiger Lähmung der linken Körperhälfte erleidest.
Du liegst dann im ersten Moment apathisch, etwa wie ein geprellter Frosch, und bist dir nicht sicher, ob du lebst, oder es der Tod ist, der sich so anfühlt. Du kannst dich einen Tausendste nennen, denn ein Promille, das ist in etwa das mit dem genannten Eingriff verbundene Stroke-Risiko.
Wobei ich bei dem Vorfall, der mich im Mai 2022 ereilte, sehr großes Glück im Unglück hatte: Dass ich nämlich kognitiv, mental und emotional in überhaupt keiner Weise betroffen war, und dass auch meine Sprache zu 100% intakt geblieben war, so dass ich, sehr zum Unmut der behandelnden Ärzte, bereits an Tag zwei wieder Telefongespräche mit Coachées führen konnte – und wollte, weil es mir ein Gefühl von Sicherheit und Normalität vermittelte. Zum Telefonieren genügt ja ein einziger Arm.
Zudem besaß ich ausreichend Mut, Entschlossenheit, Power und Motivation, mich innerhalb weniger Monate aus der Misere zu kämpfen. Bereits knapp fünf Monate später begann ich wieder Auto und sogar Fahrrad zu fahren, erweiterte zu Beginn kleine Spaziergänge zu immer längeren Wanderungen. Heute, ein weiteres Jahr später, bin ich längst wieder rundum fit und mache meinen Job.
Den Kund*innen / Unternehmen, die mir auch in der schwierigen Zeit (wenn sie überhaupt davon wussten) die Stange gehalten haben, sei an dieser Stelle einmal herzlich gedankt!
Dies ist natürlich keine Heldengeschichte! Das Schicksal hatte es einfach gut mit mir gemeint, als es die Kalkplaque, die vom Katheder losgetreten wurde, an einer vergleichsweise günstigen Stelle in meinem Gehirn stecken bleiben ließ. Ich kenne andere, weit schlimmere Schicksale, vor allem seit ich begonnen habe, in der neurologischen Reha-Einrichtung, in der ich vergangenes Jahr selbst Patient war, sehr erfolgreiche therapiebegleitende Theaterworkshops zu geben, die auf die Förderung der Neuroplastizität, sprich: auf die Reparatur der neuronalen Impulswege abzielen und die, auch wegen meiner offensichtlichen Authentizität, tolles Feedback erhalten.
Dennoch bin ich natürlich nicht exakt der alte Kuno Windisch, denn aus einem Stroke kommst du entweder schwer angeschossen heraus, oder sogar leicht upgedatet, mit zum Teil neuen Eigenschaften, Einstellungen und Fähigkeiten.
Es ist schon ein krasser Einschnitt: Neu greifen lernen, neu gehen lernen, neu das Gleichgewicht halten lernen, Treppen steigen, Drehverschlüsse öffnen, Schnürsenkel schnüren, Gitarrengriffe, am PC schreiben, Rollläden öffnen, etc.pp. Zu Beginn stehst du wie der Ochse vorm Berg und möchtest dich von dessen Klippen stürzen. Doch sobald du fähig bist, das Geschehene immer mehr frei von Angst und blankem Entsetzen zu sehen, bist du bereit, auch den Reiz zu spüren, den das Neu-Erlernen früherer Selbstverständlichkeiten mit sich bringt. Es ist nämlich gar nicht so, dass du alles 1:1 wieder genauso machst wie vorher, selbst wenn du es vielleicht könntest. Nein, beim Leben-neu-Lernen versuchst du im Idealfall sogar, vorherige Bewegungen zu optimieren.
Klar, du hast natürlich Therapeuten aller Fachrichtungen um dich herum, die dir die Basics beibringen. Aber das eigentliche Reset, das Finetuning, das musst du letztlich mit dir alleine ausmachen. Mit präziser Selbst-Beobachtung, mit unendlicher Geduld und der festen Überzeugung, es bei allen Widrigkeiten zu schaffen. Zwischenzeitliches Scheitern musst du als notwendige Etappe zum Ziel akzeptieren, es dann besser probieren, am besser-Probieren vielleicht noch einmal scheitern, besser scheitern, und schließlich ankommen.
Wenn du ein positiver und humorvoller Zeitgenosse bist, neben Humor mit ein bisschen Sarkasmus und Selbstironie ausgestattet, wirst du irgendwann sogar unwillkürlich lachen, liebevoll lachen, über den anfänglichen Tollpatsch, der wieder auf der Suche nach Lebens-Meisterschaft ist. Vize-Meisterschaft wenigstens. (Natürlich darfst du zum Druckausgleich auch schon mal heulen und fluchen).
Nach dem Prinzip der Body-Mind-Connection sind Geist/Psyche/Intellekt hier, und Soma da, ein nahezu siamesisches Zwillingspaar, das sich gegenseitig beeinflusst – positiv oder negativ, je nach Lebenssituation. Daraus entstehen für den Leben-neu-Lernenden ganz von selber neue Themenfelder, die nicht nur sein privates Leben beeinflussen, sondern ggf. auch neue berufliche Schwerpunkte setzen, an denen ich in Zukunft sehr gerne mit meinen Mandant*innen in Gesprächen und Workshops arbeiten werde. Ein paar davon seien unter dem Menueintrag ‚Zeitgemäß‘ schlagwortartig skizziert.